
Diese Dinge solltest du bedenken, wenn du überlegst, Hausbesitzer zu werden
Eigenheimbesitzer zu sein, ist für viele ein großer Traum - allerdings solltest du dir zwingend über weitere Dinge rundherum im Klaren sein.
Samstagnachmittag. Du aalst dich dösend in der Hängematte zwischen den zwei Obstbäumen, die schon auf dem Grundstück standen, als es losging. Im Radio liefert ENERGY den passenden Chillout-Soundtrack. Deine Kids spielen in ihren Riesenzimmern mit Lego, durch die offenen Fenster perlt ihr Lachen und das Klackern der Steine. Neben Vogelgezwitscher und einem ab und zu vorm Haus langsam vorbeigleitenden Auto sind das die einzigen Geräusche, die in deine Ohren dringen - Halt, die Hummel, die durch dein Blumen- und Gemüsebeet brummt, kommt noch hinzu.
Wir raten mal: Ungefähr dieses Szenario stellst du dir vor, wenn du an das Wörtchen "Eigenheim" denkst?!
1. DIE PREISE SIND AKTUELL ZIEMLICH ÜBERHITZT

Wenn du mit dem Gedanken spielst, Hausbesitzer zu werden, wirst du natürlich über die Finanzierung nachdenken müssen: Was kostet ein Haus? Leider lautet die Antwort "ziemlich viel"; zumindest verglichen mit gar nicht so lange zurückliegenden Zeiten.
Klar, wir haben weiterhin eine Niedrigzinsphase, du kannst das notwendige Geld also für sehr günstige Zinsen leihen. Aber genau diese Phase ist auch hauptverantwortlich dafür, dass in den letzten Jahren die Preise beständig gestiegen sind - sowohl für fertige Häuser wie Grundstücke und die Baukosten selbst. Klar, wo sich mehr Menschen dank Niedrigzinsen ein Haus leisten können, steigt die Nachfrage, steigen die Preise - BWL/VWL-Basics.
2. DU MUSST GEZWUNGENERMASSEN FINANZEXPERTE WERDEN
Ein Hausbau wird dich mit sehr vielen neuen Begriffen konfrontieren. Darunter nicht nur architektonisch-technische, sondern auch solche aus dem Finanzsektor.
Eigenkapital ist ja noch selbsterklärend. Aber Zinsbindung? Annuitätendarlehen? Anschlussfinanzierung? Soll- und Effektivzinsen? Das sind Begriffe, welche die meisten Menschen, sofern sie nicht beruflich mit Finanzen zu tun haben, höchstwahrscheinlich letztmalig in der (Hoch-)Schule gehört haben.
Allerdings sind diese Begriffe, dazu noch eine Menge weiterer, die absolute Wissensbasis, um seriös zum Bauherren zu werden - du willst ja nicht das Risiko eingehen, etwas zu unterschreiben, was du nicht hundertprozentig verstehst. Das ist auch deshalb wichtig, weil nach einer EU-Richtlinie die Möglichkeiten des Widerrufs stark begrenzt sind. Wenn du für einen Immobilienkredit unterzeichnet hast, kannst du diesen nur innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr und 14 Tagen widerrufen.
Soll heißen:
- Lies dich umfassend in das Thema ein. Das Internet ist voller hilfreicher Seiten, in denen du die wichtigsten Hausbauer-Finanzbegriffe erklärt bekommst.
- Wenn du die verpflichtende Vor-Ort-Beratung für das Darlehen wahrnimmst, hör gut zu und scheue dich nicht, Zwischenfragen zu stellen, wenn etwas unklar ist.
- Unterschreibe nie etwas, bevor du es nicht zuhause in Ruhe nochmals durchgerechnet hast. Lass dir im Zweifelsfall von Bekannten helfen, die sich damit besser auskennen oder etwa selbst schon gebaut haben.
Bei mittleren sechsstelligen Durchschnittskosten und rund 30 Jahren Abtragungsdauer ist jegliche Nachlässigkeit einfach unverantwortlich.
3. DU WIRST DIE QUAL DER WAHL HABEN

Sind deine Eltern oder Großeltern Eigenheimbesitzer? Dann frag sie einmal, wie es bei ihnen mit der Planung ablief. Wahrscheinlich so: Sie gingen zum Architekten, der konstruierte auf dem Papier ein Haus, vielleicht gab es einige Nachbesserungswünsche, alle waren happy, die Bagger rollten an.
Natürlich geht das heute auch noch so - aber das Architektenhaus ist in einer ohnehin hochpreisigen Bau-Epoche unter Umständen die teuerste Option. Schon deshalb, weil die Planungsprofis einer umfangreichen Gebührenordnung unterliegen - sie dürfen also für Leistung X nicht weniger als Summe Y verlangen.
Allerdings sind Architekten nur noch ein Player von vielen. Zahllose Hausbaubetriebe oder Fertigbauanbieter werden dich locken, dir aussagekräftige Kataloge, eindrucksvolle 3D-Renderings oder vielleicht sogar Virtual-Reality-Ansichten präsentieren.
Dabei betrifft dies nur einen von vielen Bereichen, in dem du dich entscheiden musst:
- Du wirst von den Kellerfliesen bis zu den Brettern, die die Innenseite des Dachstuhls verkleiden, tausendundeine Wahlmöglichkeiten haben.
- Du wirst zahllose Feierabende und Wochenenden damit zubringen, durch Bau- und Einrichtungsmärkte zu wandern und auf Musterfächer für Farben, Bodenbeläge und Co. starren, bis dir die Augen brennen.
- Du wirst dich höchstwahrscheinlich mehr als einmal mit deinem Partner diskutieren, weil ihr beide bei Details völlig unterschiedliche Meinungen habt.
Eine große Auswahl ist prinzipiell wünschenswert. Aber für den Hausbau ist die Auswahl so groß, dass du sie höchstwahrscheinlich irgendwann nur noch als anstrengend empfinden wirst. Zudem kommt noch etwas Anderes in Sachen Auswahl hinzu:
4. DU MUSST UNBEDINGT ÜBER DEN TREND-TELLERRAND BLICKEN KÖNNEN
Jede Epoche hat ihre architektonischen Trends. Waren es bei der letzten Generation, die in den Sechzigern und Siebzigern baute, beispielsweise oft unglaublich klein geplante Mini-Küchen, wirst du heute auf den großen Trend offenes Wohnen treffen. Häuser also, die mit sehr wenigen Innenwänden auskommen und große, meist bodentiefe Fensterflächen haben.
Dabei ist das offene Wohnen nur ein derzeitiger Trend von vielen. Aber er eignet sich gut als Beispiel: Denn egal welchen Bauunternehmer oder Architekten du fragst, sie alle werden das offene Wohnen in leuchtenden Farben präsentieren. Das tun sie, weil sie - es ist ja ein Trend - aktuell viele Pläne darauf ausgerichtet haben. Nachträglich Wände einzuziehen, Fenster zu verkleinern würde Mehrarbeit und -kosten bedeuten.
Dennoch sollte für dich eine Maxime gelten:
Vertraue bei keinem Ausstattungs-Detail nur auf das,
was die Anbieter versprechen, sondern rede mit
Menschen, die mit/in diesen Details bereits leben.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass zwischen architektonischer Planung und praktischer Bewohnbarkeit oft ziemliche Lücken klaffen. Um beim offenen Wohnen zu bleiben, manifestiert sich das in folgenden Punkten:
- Die vielen Fenster müssen später auch geputzt werden. Je nach Architektur und Ausgestaltung geht dabei nichts ohne lange Leiter.
- Es mangelt an Wand- und somit Staufläche, weil die meisten Schränke und Co. dafür ausgelegt sind, mit dem Rücken zur Wand zu stehen. Die Auswahl an zentral platzierbaren Möbeln ist begrenzt und häufig teurer.
- Das viele Glas lässt nicht nur angenehm viel Licht ins Haus, sondern oft zu viel, sodass es zu hell wird. Im Sommer bringen selbst hochdämmende Fenster nichts gegen den Strahlungswärme-bedingten Glashaus-Effekt.
- Man fühlt sich durch die Glasflächen und abwesenden Wände oft wie auf dem Präsentierteller. Schaltet man das Licht ein, muss man fast zwangsläufig die Rollläden herablassen oder Vorhänge zuziehen, damit nicht jeder hereinschauen kann.
- Egal ob Geräusche oder Küchengerüche, alles kann ohne Wände durchs ganze Haus ziehen.
Das soll das offene Wohnen nicht schlechtreden. Es soll dir nur zeigen, dass du alles, was man dir als trendig verkaufen will, von beiden Seiten beleuchten solltest. Vergiss zudem nicht, dass jeder Trend irgendwann abebbt. Dann wirkt alles, was nach seinen Regeln konstruiert wurde, schnell veraltet.
5. VIELE GEMEINDEN WERDEN DIR SCHARFE GESTALTUNGSGRENZEN SETZEN
Aus einem Bebauungsplan der Nordrhein-Westfälischen Kleinstadt Kamp-Lintfort:
"[…] Aus diesem Grund ist für das gesamte Baugebiet ein grau bis anthrazitfarbenes Dach vorgegeben. […] Für das gesamte Baugebiet wurde eine Material- und Farbauswahl getroffen,
die eine beschränkte Bandbreite an Material und Farben erlaubt. Es sind dies rote bis
rotbraune oder graue bis anthrazitfarbene Klinker, Ziegel, Backsteine
oder Riemchen und weißer bis hellgrauer Putz. […] Für den Sockelbereich
und untergeordnete Fassadenelemente […] können in der Ausführung
mit Putz auch dunkle Grautöne gewählt werden."
Zugegeben, das ist ein strenger Bebauungsplan. Aber Vorgaben wie diese können dir überall begegnen, wo du dein Häuschen errichten möchtest. Sie können deine Wahlfreiheit, zumindest außen, stark einschränken. Das heißt, du musst entweder mit einem Haus leben, dessen Außengestaltung so von dir niemals geplant geworden wäre. Oder du musst dir anderswo ein, potenziell teureres, abgelegeneres, Baugrundstück suchen, auf dem weniger Regularien liegen.
6. DU WIRST RICHTIG VIEL RAUM BEWOHNEN MÜSSEN
Weißt du, wie viel Wohnfläche ein heutiges Einfamilienhaus im Schnitt hat? Es sind 150 Quadratmeter. Die werden, vor allem wenn du bislang zur Miete wohnst, anfangs phantastisch gut wirken. Viele übersehen dabei jedoch ein gar nicht winziges Detail: So viel Raum will erst mal bewohnt werden.
Wenn das Haus neu ist, wirst du deshalb wahrscheinlich erst mal deine liebe Not haben, das alles mit deinem geschröpften Budget halbwegs ansprechend zu füllen. Viele Hausbauer beschränken sich für die erste Zeit deshalb darauf, nur die wichtigsten Räume vollwertig einzurichten und beim Rest "Mut zur Lücke" zu zeigen.
Auch das ist kein Nachteil per se. Immerhin bedeutet es, dass du dich noch lange der Einrichtungsgestaltung widmen kannst. Wenn du dieses Steckenpferd magst, ist das genial. Aber es kommen noch weitere Überlegungen hinzu:
- Du musst all diese Räume beheizen. Gerade zu Anfang, wenn das Haus neu ist noch Feuchtigkeit aus der Bauphase ausdünstet – andernfalls schimmelt es superschnell.
- Du wirst das, was du bisher über Putzpläne gelernt hast, wahrscheinlich vollends neu denken müssen, wenn du nicht alle Wochenenden alleine mit Saubermachen verbringen willst.
- Du wirst mitunter einige Jahre benötigen, bis dein Haus wirklich nach deinen Vorstellungen fertig ist und sich perfekt anfühlt - mit etwas Pech muss dann bei den zuerst fertiggestellten Räumen wieder von vorne begonnen werden.
Ein guter Rat deshalb:
Investiere genügend Zeit in die Raumplanung. Ein
Grund, warum Häuser heute so groß sind, ist schlicht
"weil alle es so machen". Folge nicht der Masse, sondern
definiere sehr genau, was du selbst vom Wohnen erwartest.
Wenn das bedeutet, dass du kleiner baust, dann ist es eben so. "Meins ist größer als deins" ist vollkommen unnötiges Statusdenken, das du schon wegen der Kosten unterdrücken solltest. Direkt damit verbunden ist eine weitere Tatsache:
7. WAHRSCHEINLICH BEREUST DU IRGENDWANN DEIN KONZEPT
Such dir jemanden aus deinem Bekanntenkreis, der schon mindestens einige Jahre im Eigenheim lebt und stell ihm folgende Frage:
"Hand aufs Herz: Würdest du heute nochmal
haargenau so bauen, wie du es getan hast?"
Auch ohne, dass wir in der ENERGY-Redaktion eine Wahrsager-Glaskugel hätten, können wir voraussagen, dass ein Großteil darauf mit einem mehr oder weniger lauten "Nein!" antworten wird.
Denn es gibt zum Thema Bauen eine ganze Menge Studien. Eine davon, die "Bauherren Studie 2017", fand heraus, dass nicht weniger als zwei Drittel aller Hausbesitzer, könnten sie nochmals bauen, anders vorgehen würden. Woran das liegt? Vor allem daran:
Selbst die sorgfältigste Planung kann nur recht
mangelhaft abbilden, wie sich ein fertiggestelltes
Haus in der Praxis wirklich bewohnen lässt.
Kein Gang durch ein Musterhaus sagt dir, wie sich der Alltag in diesem Haus wirklich anfühlt. Kein Katalogbild verrät, wie die super-stylische Stumpfmatt-Küchenzeile nach dem täglichen Kochen aussieht.
Weite Teile des Bauens wirst du, trotz aller technischen Hilfestellungen, im Blindflug absolvieren. Wie es sich später anfühlt, kann das alles nur annährungsweise darstellen.
In der Folge wirst du höchstwahrscheinlich irgendwann feststellen, dass Dinge, die dir in der Planungsphase einfach nur genial erschienen, in der Praxis eher das Gegenteil sind – oder auch einfach nicht ausreichen. Tröste dich, denn:
8. DU DARFST UND MUSST SELBST AM BALL BLEIBEN
Das Schöne, vielleicht sogar Allerbeste am Hausbesitzerdasein ist, dass dir, wenn das Haus mal baurechtlich abgenommen wurde, keiner mehr vorschreiben kann, was du darin tust und sein lässt. Es ist wirklich und ehrlich die totale Freiheit, die ihre Grenzen nur in den ungeschriebenen Regeln der Nachbarschaft und einigen wenigen Gesetzen findet.
Das bedeutet aber, dass du der einzige Entscheider darüber bist, was wann getan wird. Somit bist du auch derjenige, der dafür die Kosten tragen muss. Um das mal als Zahl zu visualisieren: Pro Quadratmeter und Monat solltest du einen Euro zurücklegen, nur um die Instandhaltungskosten, die definitiv kommen werden, abzudecken.
ZUSAMMENGEFASST
Wenn du auf Platz und Freiheit stehst, um fernab von Mit- und Vermietern dein Leben genießen zu können, ist dein eigenes Häuschen höchstwahrscheinlich genau dein Ding. Allerdings solltest du nicht den Fehler machen, sowohl den Weg dorthin wie das Hausbesitzerdasein auf die leichte Schulter zu nehmen.
Die große Freiheit gibt es nicht umsonst. Sie kostet dich, aufs Leben gerechnet, hunderttausende Euros. Du musst darüber hinaus viel Eigeninitiative und Verantwortung zeigen. Wenn du dir sicher bist, das zu können, solltest du den Schritt wagen. Falls jedoch nicht, solltest du in dich gehen - denn das schönste Haus bringt gar nichts, wenn du darin nicht glücklich bist und die Freiheit eher als Abwesenheit von Hilfe empfindest.