
Abgaben! Schräge und kreative Steuern weltweit
Steuern sind für die Funktion eines Staates unerlässlich. Einige Regierungen haben es im Lauf der Geschichte aber vielfach mit der Steuerfindungskreativität ein kleines Bisschen übertrieben.
Wenn du derzeit einkaufen gehst, unterliegst du einem gewissen Kuriosum. Denn die Mehrwertsteuer wurde seit Juli, wenn auch nur bis Ende 2020 begrenzt, von 19 auf 16, respektive 7 auf 5 Prozent abgesenkt; außerdem steht das Ende des Solidaritätszuschlags auf dem Kalender. Beides ist deshalb kurios, weil Abschaffung und Reduktion von Steuern ohne Ausgleich in vielen Ländern und Epochen kein Normalzustand sind; Staaten benötigen eben ein gewisses Einkommen. Allerdings: Manche Schatzmeister, Stadtkämmerer, Finanzminister und ähnliche Geldspezialisten schießen und schossen bei allem Verständnis für staatliche Geldnöte mehr oder weniger weit übers Ziel hinaus, wie dir die folgenden real existierenden Steuern beweisen werden.
1. Die Sektsteuer
Bleiben wir zunächst innerhalb von Deutschlands Grenzen (allerdings der Vollständigkeit halber: ähnliches gibt es auch in Österreich). Wenn du hier Sekt, Champagner, Prosecco oder einen anderen sprudelnden, alkoholhaltigen Wein (er muss nicht aus Trauben bestehen) kaufst, zahlst du auf den normalen Einkaufspreis einen Zuschlag in Form der Schaumweinsteuer – wie bereits jeder deiner Vorgängerinnen und Vorgänger seit dem 1. Juli 1902.
Ganz recht, Neunzehnhundertzwei. Damals hatte Deutschland noch einen Kaiser und statt eines Bundes- einen Reichstag – genau der wollte damals in Sachen Marine mit Großbritannien gleichziehen (die Briten waren damals die Seemacht überhaupt). Und wie so oft: Das bisherige Steueraufkommen reichte nicht, also musste eine neue Steuer her.
Weil die Einnahmen der ersonnenen Sektsteuer nicht weniger perlten als der Flascheninhalt, blieb die Steuer über alle deutschen Staaten und Regierungen bis heute erhalten – und beschert dem Bund jährliche Einnahmen im Bereich von zuletzt knapp 390 Millionen Euro.
2. Die Bartsteuer
Volksnahe Politiker können auch nachteilig sein, denn wie du wahrscheinlich festgestellt hast, sind Bärte seit Jahren wieder ein Dauerbrenner. Da sollten alle Träger hoffen, dass das keinem Politiker ganz volksnah auffällt und er sich gleichzeitig noch in Geschichte auskennt…
Denn 1698 war ersteres in Russland passiert: Zar Peter I. kehrte von einer Europareise zurück. Dabei hatte er festgestellt, dass glattrasierte Gesichter (zumindest, was man damals glattrasiert nannte) absolut hip waren. Zurück daheim fiel ihm der scharfe Kontrast zu seinen männlichen Untertanen auf; bei denen war damals eher der MC-Fitti-Look angesagt.
Peter I. sah die haarige Angelegenheit als Nachweis auch geistig-religiöser Rückständigkeit an – und verordnete eine allgemeine Rasur zwecks moralischer Modernisierung, verschärft durch eine Steuer.
Und die war echt übertrieben: Denn wer die bei der Steuerentrichtung ausgegebene kupferne Quittungsmünze nicht mit sich trug, dufte im ganzen Zarenreich damit rechnen, von Staatsbediensteten auf offener Straße zwangsrasiert zu werden. Erst 1772 schaffte Zarin Katharina II. die Steuer wieder ab.
3. Die Wettsteuer
Zurück nach Deutschland, weiterhin tief in der Geschichte. Es war das Jahr 1922. Deutschland hatte gerade den Ersten Weltkrieg verloren, hatte eine hohe Inflation und musste noch höhere Reparationszahlungen leisten – in Gold und Naturalien, sodass die Regierung nicht die Inflation ausnutzen konnte.
Das Geld war also mehr als knapp, Kreativität das Gebot der Stunde. So entstand die Idee, einen damals stark aufkeimenden Zeitvertreib der Deutschen zu besteuern: Renn- und Sportwetten – bei vielen Privatleuten war das Geld nämlich ebenso knapp und Wetten boten die Chance, bei geringen Einsätzen große Gewinne zu machen.
Abermals handelt es sich um eine Steuer, die seit damals in weitgehend unveränderter Form bis heute fortbesteht. 2012 wurde sie zum bislang letzten Mal verändert; erneut deswegen, weil Sportwetten stark an Beliebtheit zulegten.
Seitdem gelten auf sämtliche Gewinne durch Sportwetten 5 Prozent Steuern – direkt zu entrichten über den Buchmacher. Allerdings reichen längst nicht alle diese Steuer an die Kunden durch; nach wie vor gibt es eine Handvoll „Bookies“, die die 5 Prozent aus eigener Tasche bezahlen und dem Kunden den vollen Gewinn entrichten.
4. Die Schönwettersteuer
Zumindest in heutigen Demokratien wird allzu große Steuerkreativität durch Verfassungen und Kontrollorgane im Zaum gehalten. Denn die Geschichte zeigt, dass deren Abwesenheit häufig seltsame Blüten austreiben lässt.
Auftritt des römischen Kaisers Nero – ganz genau, der Nero, von dem du vielleicht im Geschichtsunterricht gelernt hast, dass er Rom angezündet habe. Dieser Kaiser entwickelte auch in steuerlichen Dingen eine seltsam anmutende Kreativität. Denn Nero stellte fest, dass sich bei schönem Wetter in Roms Straßen nicht nur mehr Bürger tummelten, sondern natürlich auch mehr Händler, Verkaufsstandbetreiber und ähnliche Unternehmer. Nero zog daraus den Schluss, dass die Einnahmen bei schönem Wetter besser seien – Grund genug, um pro Sonnentag und Händler eine Silbermünze Schönwettersteuer zu verlangen.5. Die Fenstersteuer

Seit es Steuern gibt, gibt es auch Menschen, die damit nicht einverstanden sind. Das kann bei genügend Cleverness der Regierenden aber auch schnell nach hinten losgehen. So im England des Jahres 1696.
Damals wollte König William III. seine Untertanen nach Einkommen besteuern – eigentlich also eine faire Sache. Nur wehrten sich Bürger aller Schichten massiv gegen eine Einkommensteuer, weil sie ihre persönlichen Einkünfte nicht gegenüber dem Staat offenlegen wollten (du siehst, Datenschutzbedenken sind keine neuzeitliche Erfindung). William wollte nichts riskieren, aber auch nicht auf die Steuern verzichten.
Die Idee: Damals war Glas mangels industrieller Herstellung um ein Vielfaches teurer als heute. Die Logik sagte dem König also, je mehr Fenster in einem Haus, desto reicher vermutlich auch sein Besitzer. Fertig war die Fenstersteuer, die bis 1851 bestand:
- Häuser bis zehn Fenster zahlten den heutigen Gegenwert von 15,50 Euro;
- Zwischen elf und zwanzig Fenster kosteten zusätzliche 31 Euro;
- Ab dreißig Fenstern kamen nochmals 62 Euro dazu.
Wenn du das nächste Mal auf der Insel bist, schau dir die großen Altstadthäuser genauer an – bei vielen wurden damals aus genau dem Grund ein Teil der Fenster zugemauert. Übrigens: Auch Frankreich hatte zwischen 1798 und 1926 eine ähnliche Steuer, die zudem auch Türen einbezog.
6. Die (etwas andere) Tabaksteuer
Wenn du heute in Deutschland rauchst, zahlst du gemäß dem aktuellen Tabaksteuergesetz für eine 20er Packung etwa 3,37 Euro nur an Steuern – aus gutem Grund. Denn Steuern füllen nicht nur die Staatskasse, sondern haben auch Lenkungswirkung. In diesem Fall will Deutschland (wie die meisten anderen Länder) durch hohe Tabaksteuern die Bevölkerung vom Rauchen abhalten.
Etwas anders war das 2009 in der chinesischen Provinz Hubei. Die wurde wie das ganze Land durch die Weltwirtschaftskrise ein Jahr zuvor hart getroffen; dementsprechend sanken auch die Einnahmen durch die chinesische Tabaksteuer. Andere Länder hätten das für verbesserte Volksgesundheit hingenommen, Hubei jedoch nicht. Die Region verordnete allen Staatsdienern, pro Jahr eine knappe Viertelmillion Packungen der in der Provinz hergestellten Kippen rauchen zu müssen. Wer den „Lungensoll“ nicht erfüllte, musste alternativ Strafzölle leisten.
7. Die Baulandsteuer
Würde ein Politiker nochmal damit durchkommen, eine Bartsteuer zu entrichten? Wohl kaum, das würde schon allein aus Selbstbestimmungsgründen vom Bundesverfassungsgericht kassiert werden. Anders sieht es jedoch bei einer Steuer aus, die eigentlich nur zwischen 1961 und 1962 im damaligen Westdeutschland galt.
Zur zeitlichen Einordnung musst du verstehen, dass das die Endphase der Aufbauzeit nach dem Krieg war. Und mehr als anderthalb Jahrzehnte nach dessen Ende wollten die meisten Städte nun endgültig mit Baulücken abschließen. Außerdem sollten einige Steuergesetze, die noch aus den 1930ern stammten, ebenfalls abgeschafft werden.
Schnell erkannte die Politik, dass einer der größten Gründe für weiterhin bestehende Lücken in Besitzern zu finden war, die einfach nur auf eine Werterhöhung spekulierten und deshalb Grundstücke nicht bebauten oder zum Bebauen veräußerten. Dem wollte man beikommen.
Zusätzlich zur normalen Grundsteuer wurde eine Art Sondersteuer eingeführt – wer baureifes Land besaß, aber brachliegen ließ, zahlte je nach Kommune einen deutlich höheren Hebesatz. Der Protest gegen die Steuer war ziemlich laut und kam von allen Seiten, zudem stellte die Bundesregierung fest, dass sich weder an den Grundstücksverkäufen noch der Bautätigkeit messbare Änderungen eingestellt hatten. Mit dem Jahr 1962 endete die Steuer deshalb wieder.
Allerdings: Seit Mitte der 2010er wird immer stärker über eine Wiedereinführung diskutiert. Diesmal wegen der Wohnraumknappheit in vielen Städten, an der nach Meinung vieler Politiker auch spekulierende Grundstücksbesitzer mitschuldig